Tübingen (Deutschland) 14.07. – Ein lohnendes Ziel für Kurzentschlossene

Ganz spontan starteten wir heute zu einem Kurztrip nach Tübingen. Mit knapp 90.000 Einwohnern nördlich der Schwäbischen Alb am Neckar gelegen, bestimmt die Universität mit ihren über 25.000 Studierenden das Stadtbild. Auf dem Weg in die Altstadt – 15 Minuten zu Fuß von unserem Hotel aus – sahen wir dann auch als erstes die unterschiedlichen Gebäude der Uni. Studierende saßen vor der Bibliothek und genossen wie wir das herrliche Wetter. An der Eberhardsbrücke über den Neckar angekommen, suchten wir die Tourist-Info auf, um Tickets für die Altstadtführung um 14:30 Uhr zu erwerben.

Ob die schöne Kulisse nicht doch ein wenig zu sehr vom Studieren abhält?

Da wir noch ein wenig Zeit bis zum Start hatten, versorgten wir uns mit einem Smoothie und genossen das Treiben auf einer schattigen Parkbank. Zu Beginn der anderthalb Stunden währenden Führung versammelten wir uns zunächst auf der mit Platanen bestandenen Neckarinsel: Unser Guide erzählte uns mit Blick auf die gegenüberliegende Neckarseite Interessantes zum Schloss Hohentübingen, zur Universität, zum Hölderlinturm und zur Stiftskirche.

Platanen in der Nähe des Wassers zu pflanzen, ist keine gute Idee – viele der Bäume sind krank. Das kommt davon, wenn man einen Henker zum Gärtner macht

Im Vordergrund zogen Stocherkähne ihre Bahnen, die meist studentischen Verbindungen gehören – mittlerweile werden Stocherkahnfahrten jedoch auch Touristen angeboten. Sieht ein wenig nach Venedig aus, hier ist allerdings eine andere Technik geboten: Mit einem acht Meter langen Holzstab drücken sich die Fahrer vom Boden ab und befördern das Boot damit nach vorne.

Ganz schön Betrieb auf dem Neckar
Es wird viel gefeiert an diesem Wochenende

Über die Eberhardsbrücke spazierten wir in die Altstadt bis zur Burse: Das 1478-1482 erbaute Gebäude beherbergte im Mittelalter die Studenten der Stadt, ist damit so etwas wie der Vorgänger heutiger Studentenwohnheime. Den Bewohner einer Burse nannte man im 17. Jahrhundert Bursche, woher sich auch der Name für studentischen Verbindungen ableitet – Burschenschaften.
Seltsamerweise führen zwei Treppen in entgegengesetzter Richtung ins Gebäude hinein, zudem war das Haus einmal in seiner Mitte durch eine Mauer in zwei Hälften getrennt. Diese Abgrenzung resultiert aus dem philosophischen Grundsatzstreit zwischen Realisten und Nominalisten, der auch heute keineswegs als geschlichtet gelten kann: Links führte die “via moderna” die Nominalisten ins Gebäude, während die Realisten das Haus rechts über die “via antiqua” betraten.

Was für eine Verschwendung aus Sicht eines Schwaben: Zwei Treppen

Durch die mit Fachwerkhäusern gesäumten Altstadtgassen schlenderten wir zur Ammer, wo die Gärtner – wie eigentlich überall in der Stadt – wahre blühende Meisterwerke geschaffen hatten. Auch hier genossen Einheimische wie Touristen draußen unter Sonnenschirmen das herrliche Wetter.

Schön
Hier kann man es aushalten

Endpunkt des Rundgangs durch die Altstadt war der Marktplatz mit dem prägnanten Rathaus von 1435. Im Giebel des Rathauses verrichtet eine astronomische Uhr aus dem Jahr 1511 ihren Dienst. Neben der Uhrzeit zeigt diese Mondphasen sowie eine anstehende Mond- und Sonnenfinsternis an. Die reich verzierte Fassade des Rathauses wurde 1877 anlässlich des 400jährigen Bestehens der Universität gestaltet. Auf einer Bühne vor dem Rathaus machten Jugendliche mit Musik und Ansprachen Werbung für Kirche und Jesus Christus – bei unserer Rückkehr am Abend war die Bühne wieder abgebaut und das Licht deutlich besser für ein Foto:

Marktplatz mit Rathaus und Neptunbrunnen

Auch die Gebäude rund um den Marktplatz hüten teilweise erstaunliche Anekdoten. Betrachtet man auf folgendem Foto die Fenster etwas genauer, so fällt auf, dass sich im zweiten Stock des linken Gebäudes ein weißes Fenster befindet, während alle anderen Fenster des linken Hauses einen braunen Rahmen aufweisen. Die Erklärung ist einfach – das Zimmer gehört zum rechten Haus und ist nur über dieses erreichbar.

Suchbild: Welches Fenster passt nicht zum linken Haus?

Nach der geführten Tour war es für uns höchste Zeit für eine Pause – im Café Atrium gab es dazu leckeren Zitronenkucken. Zeitgleich fand das Spiel um den dritten Platz der Fußball-WM zwischen Belgien und England statt, viele Gäste waren freudig überrascht über die zwischenzeitliche 1:0-Führung für Belgien (das Spiel endete 2:0 für Belgien). Wir setzten unseren Rundgang auf eigene Faust fort, schlenderten zur Neckarinsel und beobachteten die Stocherkahnfahrer bei ihrer Arbeit.

Irgendwann war dann auch die Zeit für unser Abendesen gekommen. Schon von zu Hause aus hatten wir uns das Restaurant Neckarmüller direkt am Neckarufer ausgesucht. Leider ergatterten wir keinen Platz mit direktem Blick auf den Fluss, aber auch in der zweiten Reihe schmeckten Alex die Tübinger Käs’spätzle und Jochen die Schwäbischen Maultaschen.

Schwäbische Spezialitäten – Teil 1
Schwäbische Spezialitäten – Teil 2

Als süßen Abschluss gönnten wir uns ein Eis und setzten uns zu den anderen Touristen oder Studenten auf die Ufermauer des Neckars – ein sehr schöner Platz, um den lauen Sommerabend zu genießen.

Seele und Füße baumeln lassen

Für einen Absacker ging es zurück zum Marktplatz, wo wir nach kurzer Wartezeit einen freien Tisch vor dem Weinhaus Beck ergatterten. Einen Primitivo und Riesling später liefen wir zurück zum Hotel.

Tschüss Tübingen!

Am nächsten Morgen ging es nicht direkt nach Hause: Wir fuhren zunächst nach Süden, um uns die Burg Hohenzollern anzuschauen. Bereits vom Tal aus sieht man  die markante Silhouette auf einer Bergspitze.

Burg Hohenzollern aus der Ferne

Vom Parkplatz im Tal kann man entweder die einfache Variante mit einem Pendelbus zum Burgtor nehmen oder man erklimmt die Bergspitze auf 855m zu Fuß. Da wir pünktlich zum Anstoß des Endspiels der Fußball-WM zwischen Frankreich und Kroatien zu Hause sein wollten, wählten wir die bequeme Variante mittels Bus.

Die Burg in ihrer heutigen Form wurde erst 1867 vollendet, die Vorgängerbauten gehen allerdings auf das Jahr 1267 zurück. Die erste Burg wurde im Jahr 1423 zerstört, der Neubau ab 1454 verfiel nach der Besatzung im Österreichischen Erbfolgekrieg, sodass Anfang des 19. Jahrhunderts bis auf die St. Michaelskapelle nur noch ein Ruine stand.

Der Eingang
Innenhof der Burg

Die Burg ist der Stammsitz der Hohenzollern, deren fränkischer Familienzweig die brandenburg-preußische Linie entwickelte, die ehemals die Könige von Preußen und somit den Deutschen Kaiser stellten. Es verwunderte uns daher nicht, dass Bronzefiguren von Königen und Kaisern den Weg um die Burg herum schmücken.

Das alles, und noch viel mehr, würd’ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär….
Der Ausblick hat auch was

Eine Besonderheit in der Burg ist, dass es sowohl eine evangelische als auch eine katholische Kapelle gibt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Burg zu zwei Dritteln in Besitz des preußisch-evangelischen Familienzweigs ist und zu einem Drittel dem schwäbisch-katholischen Familienzweig gehört.

Die evangelische Christuskapelle
Die katholische St. Michaelskapelle

Führungen durch die Burg wurden heute keine angeboten, es war “Königliches Flanieren” angesagt: Man konnte frei durch die Burg spazieren, in einigen Räumen standen jedoch Angestellte bereit, die dem interessierten Besucher Anekdoten zur Geschichte oder zum aktuellen Oberhaupt der Familie, dem 42jährigen Georg Friedrich Prinz von Preußen, erzählen konnten.

Nach einem Besuch des Burg-Biergartens machten wir uns auf den Weg nach Hause.

Der königliche Biergarten – nicht original seit 1867

Aufgrund des Rückreiseverkehrs waren die Autobahnen rund um Stuttgart überlastet und wir schafften es gerade noch so zum Anpfiff des Fußball-WM-Endspiels auf die Couch.

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